Offene Forschungspraktiken: Wichtige Regeln für eine reibungslose Einführung

Die große Anzahl an offenen Wissenschaftspraktiken und Werkzeugen und die damit verbundenen Möglichkeiten können einerseits inspirierend sein. Andererseits können sie auch überwältigend sein. Etwas Orientierung für den Anfang kann daher hilfreich sein. Um diesen Bedarf zu decken, hat ein Autorenteam zehn Regeln für die Einführung  offener und reproduzierbarer Forschungspraktiken formuliert. In diesem Blogpost finden Sie eine kurze Zusammenfassung.

Das Papier „Ten simple rules for implementing open and reproducible research practices after attending a training course“ bietet Einsteiger:innen und Fortgeschrittenen eine Anleitung für die Umsetzung robuster Forschungspraktiken in eigenen Projekten. Es enthält auch Strategien, um andere Mitglieder des Forschungsteams zu überzeugen.

Obwohl sich das Papier auf die Situation nach einem Trainingskurs konzentriert, können die aufgestellten Regeln auch für das Selbststudium hilfreich sein. Die Autor:innen weisen darauf hin, dass in verschiedenen Forschungsbereichen oder -umgebungen unterschiedliche Ansätze hilfreich sein können und dass aber auch generell systemische Veränderungen erforderlich sind, um robuste Forschungspraktiken auf breiter Ebene voranzutreiben. Nicht alle Regeln können gleichermaßen angewendet werden. Während sich die ersten fünf Regeln vor allem an Einsteiger:innen richten, zeigen die anderen fünf vor allem Wege für Forschende auf, die bereits über solide Erfahrungen mit Open Science verfügen.

Die Regeln


Regel 1: Erstellen Sie eine Vorauswahl an Praktiken, die Sie in Ihrem Projekt einsetzen möchten

Konzentrieren Sie sich auf Praktiken, die für Ihre Forschung relevant sind und zu Ihrem aktuellen Projektstadium passen. Prüfen Sie, ob Ihre Einrichtung oder Ihr Geldgeber beispielsweise über Richtlinien zu Open Access, Open Data oder Forschungsintegrität verfügt, die für Ihr Projekt gelten. Eine Vorauswahl an Praktiken hilft Ihnen, die Mitglieder Ihrer Forschungsgruppe zu überzeugen und Ihr Arbeitspensum überschaubar zu halten.

Regel 2: Treten Sie einer Community bei, um Zugang zu Fachwissen und Unterstützung zu erhalten

Beginnen Sie mit den Personen, die für die Umsetzung der Praktiken in Ihren eigenen Projekten unerlässlich sind. Suchen Sie sich Verbündete, darunter auch Personen in unterstützenden Funktionen (etwa in Bibliotheken, IT-Diensten und Open-Science-Büros), und suchen Sie nach Kursen oder Seminaren, um Ihre Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Erwägen Sie auch, sich einer lokalen, nationalen oder internationalen Community anzuschließen, die zusätzliche Unterstützung und Schulungen anbietet, hierzu gehören Zeitschriftenclubs wie ReproducibiliTea oder die internationalen Reproducibility Networks.

Regel 3: Besprechen Sie mit Ihrem Forschungsteam, was umgesetzt werden soll

Treffen Sie sich mit Ihrer:m Betreuer:in und anderen Teammitgliedern und finden Sie heraus, wie sie zur Umsetzung robuster Forschungspraktiken stehen. Bereiten Sie Folien vor, in denen Sie Ihre Erkenntnisse, die in die engere Wahl gezogenen Praktiken, die Gründe für deren Auswahl und den Nutzen für die Forschung des Teams sowie die individuellen Karrieren beschreiben. Sie können auch ein Seminar mit erfahrenen Forschenden organisieren, die sich mit den ausgewählten Praktiken auskennen. Denken Sie daran: Ihr Ziel ist es nicht, die bisherige Arbeit zu kritisieren, sondern zukünftige Verbesserungen vorzuschlagen. Überlegen Sie, inwiefern Faktoren wie Richtlinien Ihrer Einrichtung oder Ihres Geldgebers Ihnen helfen können.

Regel 4: Bereiten Sie sich auf Widerstand vor und gehen Sie ihn konstruktiv an

Ihr Team hat vielleicht Bedenken, dass die Einführung solider Forschungspraktiken Zeit und Ressourcen kostet und auch dem Erreichen Ihrer Karriereziele im derzeitigen akademischen System schadet. Wählen Sie Argumente, die direkt auf diese Bedenken eingehen. Verschiedene Gründe können bei verschiedenen Personen Resonanz finden. Überlegen Sie, welche Praktiken Sie selbst umsetzen können und für welche Sie die Unterstützung anderer benötigen. Wenn sich Ihre Kolleg:innen gegen die Umsetzung von Praktiken sträuben, konzentrieren Sie sich zunächst auf einfache Erfolge.

Regel 5: Entscheiden Sie, was umgesetzt werden soll, und erstellen Sie einen Umsetzungsplan

Vergewissern Sie sich, dass die von Ihnen gewählten Maßnahmen angesichts Ihrer begrenzten Zeit und Ressourcen machbar sind. Beginnen Sie mit Praktiken, die von den Teammitgliedern breit unterstützt werden und leicht umzusetzen sind. Bereiten Sie einen Umsetzungsplan vor, der das „Wer“, „Was“, „Wann“ und „Wie“ für jede gewählte Praktik enthält. Stellen Sie sich auf mögliche Herausforderungen ein und suchen Sie nach Rat oder Unterstützung.

Regel 6: Gehen Sie Kompromisse ein und haben Sie Geduld

Konzentrieren Sie sich auf Praktiken, die eigenständig oder mit Zustimmung des Forschungsteams umgesetzt werden können. Wenn Sie die Fähigkeit und den Willen haben, bieten Sie anderen Teammitgliedern an, die Umsetzung zu übernehmen. Da sich Forschungspraktiken ständig weiterentwickeln, sollten Sie nach neuen Gelegenheiten Ausschau halten, um robustere Praktiken einzuführen. Achten Sie auf Ihr eigenes Arbeitspensum und denken Sie daran, dass sich selbst kleine Änderungen mit der Zeit summieren.

Regel 7: Überprüfen Sie Ihren Umsetzungsplan neu und passen Sie ihn an neue Umstände an. Achten Sie auf sich selbst.

Die Einführung neuer Forschungspraktiken kann eine Herausforderung sein. Nehmen Sie sich daher nicht mehr vor, als Sie erreichen können. Seien Sie bereit, den Plan neu zu bewerten und die Erwartungen anzupassen oder einen Schritt zurückzutreten, wenn dies erforderlich ist.

Regel 8: Teilen Sie Best-Practices und Erfahrungen

Sie können nach Möglichkeiten suchen, andere bei der Umsetzung einiger Praktiken zu unterstützen und diese weiter zu verbreiten. Dokumentieren Sie die Schritte, die Sie unternommen haben, um Ihre Forschung robuster zu machen, damit Sie sie in Zukunft wiederverwenden können. Seien Sie ein Vorbild und geben Sie Ihre Fähigkeiten weiter.

Regel 9: Erhalten Sie Anerkennung und machen Sie Ihre Beiträge sichtbar

Dokumentieren Sie Ihre Arbeit an robuster Forschung, beispielsweise auf Repositorien wie Zenodo oder dem Open Science Framework (OSF), um sie sichtbar zu machen. Nehmen Sie diese Informationen auch in Ihren Lebenslauf auf und bewerben Sie sich um Auszeichnungen, Ambassador-Programme, Stipendien oder Fellowships. Darüber hinaus könnten Sie erwägen, sich an Aktivitäten zur Verbesserung der Wissenschaft zu beteiligen.

Regel 10: Suchen Sie nach zukünftigen Arbeitgeber:innen, die Ihre Fähigkeiten und Interessen schätzen und unterstützen

Wenn Sie eine neue Stelle suchen, sollten Sie sich nach Arbeitgeber:innen umsehen, die Ihre Werte teilen, einschließlich robuster Forschung. Informieren Sie sich über das Team, die Einrichtung, ihre Werte, Praktiken und Strategien. Fragen Sie aktuelle oder ehemalige Teammitglieder über den:die Teamleiter:in und die Teamdynamik.

Weitere Einzelheiten finden Sie im Volltext:
Heise V, Holman C, Lo H, Lyras EM, Adkins MC, Aquino MRJ, et al. (2023) Ten simple rules for implementing open and reproducible research practices after attending a training course. PLoS Comput Biol 19(1): e1010750.

Werkzeuge und Orientierung für Ihre nächsten Schritte

Der Open Economics Guide enthält Informationen, die für Ihre nächsten Schritte hilfreich sein können. Sind Sie bereit, mit Open Science zu beginnen? Schauen Sie sich diese fünf kleinen Schritte an, die Sie sofort machen können und werfen Sie einen Blick auf das Verzeichnis kostenloser Open-Science-Tools des Open Economics Guide. Das Tool SHERPA Juliet enthält beispielsweise aktuelle Informationen über die Anforderungen von Forschungsförderungsorganisationen bezüglich Open Access, Publikationen und Datenarchivierung.

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