Open-Source-Software spielt eine wichtige Rolle in der Forschung. In den Wirtschaftswissenschaften gibt es jedoch Nachholbedarf bei ihrem Einsatz, wie Prof. Dr. Hans-Martin von Gaudecker im Rahmen einer Coffee Lecture on Open Science Education feststellte. Welche praktischen Ansätze und Initiativen es zur Förderung von Open Source in den Wirtschaftswissenschaften gibt, stellte er in seinem Vortrag vor.
Ende Juni fand die mittlerweile vierte Ausgabe der Reihe „Coffee Lecture on Open Science Education“ statt. Zu Gast war Prof. Dr. Hans-Martin von Gaudecker, Professor für angewandte Mikroökonomie an der Universität Bonn und aktives Mitglied der Plattform Open Source Economics. Sein Vortrag mit dem Titel „Open Source Software and Open Science: A Productive Pair“ legte einen Fokus auf die Rolle und das Potenzial offener Technologien in den Wirtschaftswissenschaften.
Open Source zentral für die Reproduzierbarkeit
Open Source und Open Science basieren auf einer gemeinsamen Philosophie, wie Gaudecker ausführte: Transparenz, Kollaboration und Zugänglichkeit, mit der Reproduzierbarkeit als zentralem Bindeglied. Gerade in der empirischen Forschung sei diese Offenheit entscheidend. Nur wenn Forschende Zugriff auf die verwendete Software und deren Quelltext hätten, sei eine unabhängige Überprüfung von Ergebnissen möglich. Aus diesem Grund, so von Gaudecker, sollte empirische Forschung vollständig auf Open-Source-Komponenten basieren. Also auf offenen Programmiersprachen und frei verfügbaren Werkzeugen.
Open Source in den Wirtschaftswissenschaften wenig verbreitet
Als Grund für die Dominanz proprietärer Programme wie STATA oder Matlab in den Wirtschaftswissenschaften vermutet von Gaudecker eine unzureichende Ausbildung von Programmier- und Softwarekompetenz während des Studiums. Wer zudem einmal mit einer bestimmten (proprietären) Software wie STATA oder Matlab gearbeitet hat, bleibe häufig dabei. Ein Wechsel zu offenen Programmiersprachen sei zeitaufwändig und in fortgeschrittenen Karrierestufen kaum realistisch.
Doch für von Gaudecker gebe es auch positive Entwicklungen, etwa dass wissenschaftliche Journale, auch als Reaktion auf frühere Reproduzierbarkeitsskandale, neue Richtlinien eingeführt haben, die eine Offenlegung von Daten und Code verlangten. Zudem würden Förderinstitutionen wie die DFG mittlerweile zunehmend auf Open-Science-Prinzipien bestehen.
Open Source in die Wirtschaftswissenschaften bringen
Um Open Source in den Wirtschaftswissenschaften zu fördern, engagiert sich von Gaudecker seit Jahren in der Entwicklung von offenen Lehrformaten und Softwaretools. Dazu gehört der Kurs „Effective Programming Practices for Economists“, der sich an Master- und Promotionsstudierende richtet. Ziel sei es, wissenschaftlich sauberes, reproduzierbares Programmieren zu vermitteln – mit Fokus unter anderem auf Code-Strukturierung, Versionierung (zum Beispiel mit Git), Testing und Debugging. Für den Bachelorbereich wurde ein neuer Kurs „Applied Data Analytics“ eingeführt, der in Jupyter Notebooks grundlegende Datenanalysen mit ökonomischen Fragestellungen verknüpft.
Neben der Ausbildung ist von Gaudecker auch an der Entwicklung konkreter Werkzeuge beteiligt, die reproduzierbares Arbeiten in der Forschung erleichtern. So entstanden unter anderem Projektvorlagen, mit denen sich Python-basierte Forschungsprojekte standardisiert und transparent strukturieren lassen. Diese Vorlagen integrieren den Workflow-Manager pytask, der es ermöglicht, selbst komplexe Datenanalysen als strukturierte Abläufe in Form eines gerichteten Graphen abzubilden und zu automatisieren.
Open Source muss in der Ausbildung verankert werden
Von Gaudecker ist maßgeblich an der Plattform Open Source Economics beteiligt, aus deren Umfeld auch die oben genannten Arbeiten hervorgegangen sind. Ein Blick auf die Webseite lohnt sich, beispielsweise auf die zahlreichen Open-Source-Modelle für verschiedene ökonomische Anwendungsfelder.
Am Ende konstatierte von Gaudecker, dass sich der hohe Aufwand, sich mit Open Source und offenen Programmiersprachen zu befassen, gelohnt habe. Offene, modulare und gut dokumentierte Software mache nicht nur die eigene Forschung effizienter, sondern schaffe auch die Grundlage für echte Zusammenarbeit. Ein Wandel sei jedoch nur möglich, wenn die Vermittlung von Programmierwissen bereits in der Ausbildung beginne.
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