Gollum-Effekt schadet der Forschung: Open Science als Teil der Lösung

Gollum-Effekt schadet der Forschung: Open Science als Teil der Lösung

Besitzdenken und Territorialverhalten von Forschenden, die Zusammenarbeit und freien Informationsfluss und damit den wissenschaftlichen Fortschritt behindern, werden als Gollum-Effekt bezeichnet. Zu diesen Verhaltensweisen gehört beispielsweise die Abneigung, Daten, Methoden, Forschungsthemen oder sogar Forschungsgebiete zu teilen. Eine neue Studie nahm den Gollum-Effekt ins Visier und untersuchte auch, was zur Abschwächung des Effekts beitragen könnte.

Zusammenarbeit und Wissensaustausch werden im Allgemeinen als Grundpfeiler wissenschaftlichen Fortschritts betrachtet. Die kürzlich veröffentlichte Studie "Systemic territoriality in academia: The Gollum effect's impact on scientific research and careers“ widmet sich einem wichtigen Hindernis für Zusammenarbeit und damit für den wissenschaftlichen Fortschritt.

Einschränkungen von Forschungsmöglichkeiten

Mit dem Gollum-Effekt werden Territorialverhalten und Besitzdenken von Forschenden beschrieben, die Forschungsmöglichkeiten und Zusammenarbeit behindern. Zu ihnen gehören die mangelnde Bereitschaft, Informationen, Daten, Ressourcen und Methoden zu teilen, aber auch Forschungsthemen oder sogar ganze Studienbereiche. Der Begriff ist eine Anspielung auf die Figur Gollum aus Der Herr der Ringe, die ein verschlossenes und besitzergreifendes Verhalten zeigt.

Der Studie zufolge beeinträchtigt der Gollum-Effekt unverhältnismäßig häufig Nachwuchsforschende und marginalisierte Forschende. Hochrangige Forschende, Forschungsgruppenmitglieder, Vorgesetzte und konkurrierende Gruppen stellen häufig die Täter:innen dar. Sie nutzen dieses Verhalten, um sich Vorteile zu verschaffen, wie beispielsweise ein Forschungsmonopol zu errichten, untergraben damit aber die Wissenschaft, verzögern neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die zu entscheidenden Durchbrüchen führen könnten.

Viele Forschende beeinträchtigt

Die Studie bezog sich auf Forschende aus Ökologie und Naturschutz und ergab, dass hier 44 % der Forschenden im Bereich den Gollum-Effekt erlebt haben. Dennoch ist davon auszugehen, dass der Gollum-Effekt auch in anderen Fachbereichen Auswirkungen hat. Mehr als die Hälfte der Befragten traf er in der Promotionsphase ihrer Karriere.

Erhebliche Beeinträchtigung von Forschungsarbeit und -karrieren

Der Gollum-Effekt hat oft schwerwiegende Folgen. Mehr als zwei Drittel berichteten von Störungen ihrer Karriere. Dazu gehörte, dass sie Themen aufgeben mussten, ihre Methoden ändern, die Einrichtung oder das Fachgebiet wechseln oder die Wissenschaft ganz verlassen mussten. Bei fast drei Viertel störte der Gollum-Effekt die Forschungsplanung und bei fast zwei Dritteln die Manuskriptvorbereitung. Forschungsthemen waren das primäre Ziel des Gollum-Effekts (72,1 %), weit gefolgt von Studienarten, Studienorten und Methoden.

Der Gollum-Effekt ist systembedingt

Wie die Ergebnisse zeigen, ist der Gollum-Effekt ein systembedingtes Problem in der Wissenschaft. Ein Kulturwandel ist daher dringend erforderlich, um gemeinsam an der Lösung wichtiger globaler Probleme zu arbeiten. Hierzu können institutionelle Reformen, Open-Science-Richtlinien und Maßnahmen zur Förderung der Verantwortlichkeit beitragen.

Ein Fünftel der Befragten äußerte, selbst ähnliche Verhaltensweisen an den Tag zu legen. Nahrung erhalten diese Verhaltensweisen offenbar durch die hyperkompetitive "Publish or Perish"-Kultur in der Wissenschaft, Angst und begrenzte Mittel sowie Karrieremöglichkeiten. Besitzergreifende und territoriale Verhaltensmuster können zu einem sich selbst aufrechterhaltenden Kreislauf führen, weil frühere Opfer sich möglicherweise unbewusst ebenso verhalten beziehungsweise weil Nachwuchsforschende lernen, diese Verhaltensweisen zu imitieren.

Lösungswege

Sechs zentrale Ansätze, die den Gollum-Effekt abschwächen könnten, wurden unter den Befragten ermittelt:

  • Workshops, Schulungen und institutionelle Diskussionen, um Verständnis zu fördern und ausgrenzendes Verhalten zu verhindern.
  • Stabile Finanzierung von Nachwuchsforschenden sowie die Anpassung von Einstellungskriterien und Kriterien für die Bewertung von Stipendien, damit Mentorenschaft und Zusammenarbeit eine höhere Bedeutung als reine Publikationsleistungen bekommen. Zudem die Einführung klarer Richtlinien für Dateneigentum und Autorenschaft, die territoriales Ausgrenzungsverhalten verhindern.
  • Maßnahmen, die Open Science und Zusammenarbeit fördern, wie eine obligatorische Bereitstellung von Open Data, interdisziplinäre Teamarbeit und die Anerkennung nicht-traditioneller Forschungsbeiträge, wozu etwa technische Unterstützung und Datenmanagement zählen.
  • Unabhängige Berichterstattungsmechanismen, doppelblinde Peer-Reviews und teambasierte Entscheidungsfindung zur Verringerung von Voreingenommenheit bei der Finanzierung und Einstellung.
  • Eine bessere Ausbildung von Mentor:innen, externe Überwachung der Fortschritte von Studierenden und von Peer-Support-Netzen, um Nachwuchsforschenden zu helfen, sich in einem ausgrenzenden Umfeld zurechtzufinden.
  • Stipendien und Preise, die Teamarbeit, ethische Forschungspraktiken und Beiträge, die über Erstautor:innen-Publikationen hinausgehen, in den Vordergrund stellen, um so die akademische Kultur von übertriebenem Wettbewerb wegzubringen.

Der Gollum-Effekt schadet heutzutage der Forschung und akademischen Karrieren. Open Science könnte dazu beitragen, diesen Effekt abzuschwächen und somit ein Teil der Lösung sein.

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